Monatsarchiv: März 2015

Samstag

Ganz gleich, was wir uns für den Samstag vornehmen, eigentlich ist er immer gleich: ein Zuhause- Ausschlaf- danach Nichtstu- Tag.

Der Chaosprinz regiert den Samstag mit fester Hand. Er sagt, was er essen will, was er machen will, wohin er gehen will.

Der Samstag endet früh. Der Chaosprinz ist müde. Weil an Samstagen kein Mittagsschlaf drin ist. Weil ja der Chaosprinz das Zepter hält. Deshalb gibt es Samstags abends ein bisschen Zeit.

Ich nutze sie schlecht, diese Zeit. Manchmal höre ich Musik, selten führen die Suppenfreundin und ich ein Gespräch. Manchmal komme ich zum Lesen komplexer Sätze. Das Auge gewöhnt sich schwer an Adorno, wenn es die Woche zuvor nur Winnie Pu und Micky Maus gab.

Ich hab mir die Gesamtausgabe bestellt. Von Adorno, nicht vom Micky Maus. In meiner Studienzeit fand ich den toll. Es war wie ein Blick über eine Mauer, ein Mäuerchen, um genau zu sein, in die weite Welt hinaus.

Vielleicht hat die Philosophie mich Denken gelehrt.  Aber vor den Philosophen war da ein Mann. Glühender Verfechter der Frankfurter Schule und leidenschaftlicher Verehrer von Fantasyromanen. Er besaß eine imposante Büchersammlung. Von beidem.

Ich verehrte ihn, und deshalb lernte ich Schach, las Adorno, Kirchheimer und Löwenthal, und Adams, Pratchett und Tolkien und begann, mich für AD&D zu interessieren. Ich rauchte West Lights und trank meinen Kaffee bitter schwarz. Ich ging in Horrorfilme und bestellte in Kneipen Cuba Libre.

Ich war nie wieder so verliebt.

Heute denke ich, dass es besser war, nicht zusammen zu bleiben. Wir waren so grundverschieden, und man kann sich dem Anderen zuliebe nicht ändern.

Jedenfalls kam nach ihm nie wieder jemand. Vor ihm vielleicht schon, aber irgendwie scheint das nicht zu zählen. Vielleicht brach mein Herz damals, vielleicht dachte ich, meine einzige Chance auf eine glückliche Partnerschaft durch die Tür gehen lassen zu haben.

Vielleicht ist aber auch nicht jeder dazu bestimmt. Vielleicht müssen manche Menschen einsam bleiben. Und allein durchs Leben treiben.

Geblieben sind Noteboom und Adams, Habermas und Adorno, West Lights und bitterer Espresso.

Und eine winzige Spur Sehnsucht.

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Glücksfreitag

Der Freitag ist ja eigentlich schon ein wundervoller Tag. Die Woche ist an ihrem Ende angelangt, jetzt liegen zwei Tage Familie vor mir. Der Dreizehnte ist doppelt glücklich, der Postbote brachte heute Werbung. Nichts weiter.

Freitags putze ich das Haus. Ich räume und staubsauge, ich wische und poliere. Es fällt mir nicht schwer, auch wenn der Körper zwischendurch zankt.

Der Chaosprinz hat Pipi Langstrumpf entdeckt. Und wie es sich für einen echten Prinzen gehört, findet er sie dämlich. Ich liebte Pipi als Mädchen,  sie war mein großes Vorbild.  Ich mochte die Vorstellung, allein in der Villa Kunterbunt zu wohnen und so reich und stark zu sein, dass mir niemand etwas anhaben konnte.

Vor einigen Wochen fragte mich jemand, wann ich meine Vorstellung vom klassischen Glücklichsein denn aufgegeben hätte. Ich glaube, ich war sechs.

Es gibt heute noch Tage, da wünsche ich mich in die Villa Kunterbunt zu dem Pferd und dem Affen. Ich wünsche mir eine Kiste voll mit Gold und übermenschliche Kräfte. Und das feste Vertrauen darauf, dass Glück auch für mich möglich ist.

Die Zeit kann ich nicht zurückdrehen. 

Will ich auch gar nicht. Denn morgen ist Samstag, und Samstags kommt das Sams. Das will ich um keinen Preis verpassen!

 

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Donnerstag

Als wäre morgen schon Wochenende.

Der Donnerstag läutet das Ende der Woche ein, der Freitag ist reine Makulatur.

Die Nacht ist kühl und klar, hier auf dem Land sieht man noch Sterne. Als sei man dem Himmel ein kleines Stück näher. Vor mir liegt das Universum, diese leere Unendlichkeit, und obwohl alles in Bewegung ist, wirkt es statisch.

Es ist einsam auf dem geliehenen Balkon. Das macht die Stille, die mich umgibt, und meine natürliche Abneigung gegen das Fernsehen. Ich kann Stunden lang hier draußen sitzen und in den Nachthimmel schauen, aber für einen Film, eine Serie oder selbst die Nachrichten fehlt mir die Geduld.

In meinem Leben vor dem Chaosprinzen gab es Wochen, in denen ich kein einziges Wort laut ausgesprochen habe. Man kann mehr schweigend erledigen, als man glaubt.

Die Worte, die ich beim Reden gespart hatte, schrieb ich damals auf. Ich füllte Tagebücher mit dem, was ich dachte, denn ich hatte niemanden, dem ich es kommunizieren wollte.

Ich bin immer noch einsam, ich bin nur nicht mehr allein.

Das Universum dehnt sich laufend aus. In einigen Jahrtausenden wird es vielleicht keine Sterne mehr geben. Wenn es dann noch Menschen gibt,  wie einsam werden sie sich dann erst fühlen?

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Mittwoch

Dieser Tag beginnt früh und endet spät. Als müsse sich die Zeit zur Wochenmitte gleichmäßig ausdehnen, um die kosmische Ordnung zu wahren.

Mittwochs ist das Chaos um mich herum gar keines, es wirkt nur so. An Mittwochen, wenn sich die Zeit krümmt, und mit ihr auch der Raum, erkenne ich zwischen den feinen Rissen, die entstehen, eine Struktur, die das Leben zusammenhält. Und die ist außerordentlich stabil.

Überraschend.

Wo doch alles zu wanken scheint wie ein Schiff auf rauer See.

Der Mittwoch Vormittag ist verlebte Zeit. Der Vormittag ist öde und grau und leer und bedeutungslos.

Der Nachmittag am Mittwoch ist wild und schwitzig, laut und fröhlich und immer wieder neu. Der Mittwoch Nachmittag atmet.

Und was ich heute noch zu schreiben hätte, ist längst beschrieben. Was ich noch erwähnen müsste, passt auf einen Bierdeckel. Was Mittwochs wirklich wichtig ist, wird sich nie in Worte fassen lassen, und vielleicht ist das der Grund für meine Wortlosigkeit, für das goldene Vlies, das zwischen mir und dem Leben hängt, und wenn ich meine Hand danach ausstrecke, berühre ich nur die Sterblichkeit. Und sonst. Nichts. Weiter.

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Dienstag

Längst schläft er schon, der kleine Chaosprinz, seine Micky Maus fest umklammert. Im Augenblick ist Spidermann in seiner Gunst, Die plüschweiche Micky Maus bleibt aber außer Konkurrenz auf dem ersten Platz in seinem Herzen. Vor allem zum Schlafen.

Ich friere. Der Hund musste mal raus und hat die Gelegenheit dazu genutzt, in der Nachbarschaft wieder einmal die Biotonnen nach Küchenabfällen zu durchsuchen. Jetzt sitze ich hier und warte. Irgendwann kommt sie schon wieder. Der Hund ist aus dem Tierschutz. Sie hat vorher in Italien auf der Straße gelebt, und die Angst, hungrig zu bleiben, kriegt man aus ihr nicht mehr raus.

Wenigstens ist der Kater häuslich. Es gibt Tage, da sehe ich ihm kaum. Und dann wiederum scheint er seinen Sessel für Wochen nicht mehr verlassen zu wollen. 

Wenn es dunkel wird, müsste man eigentlich überall im Haus die Rollläden runterlassen. Weil die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos die Zimmer taghell anstrahlen. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber Lichter in der Dunkelheit machen mir Angst. Vielleicht sogar noch mehr, als die Dunkelheit selbst. 

Der Dienstag klingt lautlos aus. Die Woche hat genug Anlauf genommen und wird uns nun bis zum Wochenende durchjagen. Rot umrandete Daten im Kalender. Lang erwartete Termine. Sorgfältig aufbereitete Daten. Magenschmerzen.

Vor dem Fenster meines früheren Kinderzimmers stand immer eine hohe Straßenlaterne. In meinen dunkelsten Stunden starrte ich hypnotisiert in das weiche Licht dieser Laterne und klammerte mich daran fest. Manche Dinge wird man eben einfach nicht mehr los.

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Montage

Der Wochenanfang scheint mir lauter zu sein, als die übrigen Wochentage.

Der Chaosprinz mault beim Wecken über das frühe Aufstehen. Er ist ein Langschläfer. Und eine Nachteule. Ganz wie ich auch. Nach den Wochenenden fällt es ihm besonders schwer, sich von mir zu trennen und in den Kindergarten zu gehen. Ganz so wie mir.

Montags fürchte ich den Postboten besonders. An Montagen kann ich Ämterschreiben nicht aufschieben, Telefonate nicht gegen die Mailbox laufen lassen, das Klingeln an der Haustür nicht ignorieren und Forderungen nicht mit Verweis aufs Wochenende abweisen. An Montagen liegt eine ganze Woche Verpflichtungen, Terminen und Aufgaben noch vor mir.

Vielleicht rotten wir uns deshalb gerade an Montag Abenden zusammen, kuscheln uns warm im Bett aneinander und erzählen uns Geschichten. Der Chaosprinz erzählt die wundersamsten Dinge. Wie er im Schlaf einen Löwen gezähmt hatte, bis dieser seinen Arm leckte, und so wurden sie Freunde. Er erzählt von dem Verbrecher, den er mit seinem Laserschwert in Schach hielt, bis die Polizei kam und den Schurken ins Gefängnis warf. Und wie er mir Gänseblümchen gepflückt hatte, heute morgen beim Waldspaziergang auf der kleinen Lichtung vor dem Feld, sie aber dann der Kindergärtnerin überließ, weil sie sie so schön fand.

Wenn er dann über die Geschichten in tiefen Traum fällt, liege ich noch lange neben ihm wach und beobachte seinen Schlaf. Ich versuche nicht daran zu denken, welche Steine auf dem Weg vor uns liegen, denn ich weiß, dass ich sie alle wegräumen werde. Jeden einzelnen. Und irgendwann wird aus dem Montag ein Dienstag. Doch davon morgen.

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Sonntag

Der Sonntag ist leise.

Die Sonne strahlt Ruhe aus und schafft Geborgenheit. Die Luft riecht nach Sonnenmilch, Sommerurlaub am salzigen Meer, scharfer Karst, der an den Sohlen kratzt, und eine flache Landschaft mit dunkelgrünen Hügeln unter einem tiefblauen Himmel. Leichte Gänsehaut im ewigen Schatten der Pinien.

Das ist dieser winzige Augenblick für die Ewigkeit, in dem alles so ist, wie es eigentlich sein sollte. Der Chaosprinz spielt auf bläcken Füßen im Garten mit der Wasserspritze. Ein kleiner Feuerwehrmann. Meiner. Unglaublich.

An Sonntagen kann ich mich nicht mehr daran erinnern, was mit diesem Leben eigentlich nicht stimmt. Die Familienidylle im grünen Garten, Kinderlachen, das sich mit Hundegebell mischt, eine Tasse Kräutertee, der Blick auf den Gartenteich, in dem langsam ein Laufrad versinkt. Alles perfekt.

Wie leer die Wochenenden früher waren. Wie inhaltslos das Leben. Eine Fortschreibung des immer Gleichen, zwischen Produktion und Regeneration.

Wie weich die Haut auf seinem Gesicht ist. Sonnencreme mag er gar nicht, er lässt aber zu, dass ich sie ihm auftrage.

„Du riechst gut“, sage ich zu ihm, während er sich an mich kuschelt.

„Du kannst mich ja essen“, antwortet er, „wie eine Kartoffel.“

 

 

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