Februar

Der Januar ist verflogen in einer Mischung aus kaum zu bewältigenden Herausforderungen und kalenderspruchreifen Durchhalteparolen. Heute ist der erste Tag des Februar, aber ehrlicherweise hatte sich die Hoffnung auf ein besseres Jahr im Ansatz schon zerschlagen. Die Vorstellung, man könne alles Schlechte im alten Jahr lassen und nur das Schöne mit ins neue nehmen, ist ebenso visionär wie verfehlt. Und so wachsen die Anforderungen an jedem neuen Tag und all das landet schließlich auf meinem Teller. Nur wachse ich eben einfach nicht mehr mit.

Und da war dann gestern noch der Geburtstag, an den Facebook mich gefühlt stündlich erinnerte. Ich wollte nicht schreiben, weil ich dachte, nicht zu schreiben wäre ein sauberer Schnitt, einer von denen, die mit dem Skalpell gezogen werden und die deshalb nicht wehtun. Darüber verging der Tag, bis mir kurz von Schluss dann doch die Nerven versagten. Die leise Stimme, die mir zuflüstert, dass ich so nicht erzogen wurde. Dass man Gleiches nicht mit Gleichem vergilt und nicht urteilt, weil man nie wissen kann, was einer denn nun wirklich verdient.

Meine Strategie des Augenblicks ist es, den nächsten zu bewältigen. Und so, Augenblick für Augenblick, durch den Tag zu kommen. Am Ende, das weiß ich, gibt es für jedes Problem eine Lösung, ich vergesse es nur immer wieder. Bleischwer tragen die Schultern, die Erschöpfung lässt sich schon lange nicht mehr wegschlafen. Trotzdem, so sage ich meiner Schwester heute am Telefon, liegt Bedrücktheit nicht in meiner Veranlagung. Meistens bewege ich mich irgendwo zwischen Wohlgefallen und Belustigung, ganz nach Augenblick.

Und so schrieb ich also doch noch und erhielt eine Antwort, die es mich instant bereuen ließ. Ich bin auch nicht sicher, was genau ich erwartet hatte von jemandem, der mir so nah kam wie niemand zuvor und der mir gleichwohl in einem einzigen Jahr fremder wurde als nur fremd.
Normalerweise mache ich mich ganz gut in Oberflächlichkeiten. Es fällt mir leicht, höflich und zugewandt zu sein, solange ich jederzeit die Distanz wahren kann. Dann stören mich auch Smalltalk und Gefasel nicht, ich muss mich nicht anstrengen, nutzloses Geschwätz mit einem dezent manierlichen Lächeln zu erwidern. Ich denke mir noch nicht einmal meinen Teil, es ist so schnell vergessen wie es vernommen wurde. Jahrelange Übung hat sich hier wirklich bezahlt gemacht. Solange ich die Distanz wahren kann. Und so versuche ich, Abstand zu schaffen, so viel wie es mir möglich ist, ohne um die halbe Welt zu reisen.

Die Suppenfreundin bangt unterdessen um ihre Sorgenkinder, ältere Menschen, also noch älter als sie selbst, um die sie sich kümmert. Beide haben ihr für diese Woche abgesagt. Die eine verlässt schweren Herzens ihr Zuhause, weil sie eigentlich rundum Betreuung bräuchte, die nicht zu realisieren ist. Der anderen geht es immer schlechter, Ärzte verschreiben ihr Antibiotika wie Smarties, nur wirken wollen die nicht. Beide haben alles Geld der Welt, aber kaufen können sie sich damit nichts mehr.

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