Von Zeit zu Zeit, schreibt sie, befällt mich diese Sprachlosigkeit. Das Ringen um Worte, wo keine mehr sind, die auch nur annähernd beschreiben könnten, was gerade ist. Ich schreibe, ich lösche, ich schreibe, ich lösche, schreibe, lösche, schreibe, lösche. Am Ende bleibt der Bildschirm weiß. Sprachlos ergebe ich mich der Wortlosigkeit in mir. Ich wende mich an mein Selbst und beginne engagiert zu diskutieren. Über Sprache, über Worte. Darüber, was reichen würde und wie unzureichend ich meine Mitarbeit in diesem Fall gerade empfinde. Ich jammere über einzelne Satzglieder, stockende Sprachfetzen, setze Adjektive zusammen und nehme sie wieder auseinander. Mein Gegenüber verhandelt unerbittlich und unnachgiebig. Keine Sprache, es tut mir leid. Am Ende bitte ich um Buchstaben. Ich bekomme vier.
Dabei ist Sprache so selbstverständlich. So eigenmächtig, so autonom manchmal, aber immer vorhanden. Wie leicht sie uns über die Lippen kommt, wie schnell ist etwas gesagt, man muss es nicht einmal meinen. Im täglichen Sprachgebrauch denken wir nicht lange darüber nach, was wir sagen, es passiert oft ganz unabsichtlich. Ich versuche, meine Sprachlosigkeit durch Belanglosigkeit zu überwinden: das ist ein Stuhl. Er steht hier seit über 30 Jahren. Davor stand er in einem anderen Haushalt. Und davor vermutlich in noch einem. Dieser Stuhl hat viele Ärsche gesehen. Ich gebe nichts drauf, ob das jemand versteht; ich kämpfe auf einem viel weiteren Feld als nur auf dem der gesellschaftlichen Akzeptanz.
Wenn das Meer in uns zufriert, dass selbst eine Axt das Eis nicht mehr zerschlagen und sich die Kälte deshalb mitleidlos ausbreiten kann, dann bleibt nur Schweigen. Dann fordert die Sprachlosigkeit in uns ein Gespräch mit uns selbst. Seit Platon nennen wir das Gespräch zwischen uns und uns selbst denken. Es findet in einem Raum statt, der unzugänglich ist für gesellschaftliche Moral und frei von erlernten Werten. Hannah Arendt sieht das Denken als einzigen Zugang zur eigenen Integrität, zu dem sicheren Gefühl darüber, was richtig ist und was falsch. Die nur in der Einsamkeit funktionierende Vernunft, abseits vom kategorischen Imperativ, den letztlich die Sprache abzubilden sucht.
Nimm dir die Zeit, sage ich, weil es nichts anderes dazu zu sagen gibt. Die Menschwerdung in mir, denke ich nach Buber, geht daran zugrunde, dass mir der Alltag immer weniger Zeit zum denken lässt. Die wenige, die mir bleibt, verbringe ich immer seltener im Dialog mit mir selbst. Ich höre Musik, lese ein Buch, scrolle über Facebook und schreibe marginalisierte Miniaturen in meinen Blog. Eigentlich, denke ich, tue ich oft alles andere, nur um das Gespräch mit mir selbst zu vermeiden. Vielleicht, denke ich, habe ich Angst davor zu hören, was ich mir zu sagen hätte.