Nach dem Regen

Ich mag die Zwischenjahreszeiten vor allem für ihren Regen. Gestern schien die Sonne noch gegen das Schachtelhaus und wärmte es auf, heute fällt seit Stunden ein feiner Regenvorhang, so fein, dass man schon genau hinsehen muss, um ihn zu erkennen.

Eine beunruhigende Nachricht erreicht mich heute morgen aus dem weiteren Familienkreis. Dort steht eine Entschuldigung für das lange Schweigen und die Erklärung, die Lebensphase sei gerade furchtbar anstrengend. Genauer wollte man nicht werden und ich habe keine Lust zu raten. Also biete ich aus der Lameng meine Unterstützung an, ohne zu wissen, worum es eigentlich geht.

Der Chaosprinz genießt unterdessen seine Ferien. Mit seinem besten Freund, dem Dschingis Khan des Nordens, ist er Tag für Tag von früh bis spät unterwegs, mal draußen, mal im Schwimmbad, mal im Kinderzimmer, wo sie aus Pappkartonresten und irgendwo aufgesammeltem Sperrmüll an neuen Konstruktionen basteln. Die Suppenfreundin ist ebenfalls viel unterwegs und hat eine Menge Arbeit, denn die meisten Aushilfen haben entweder schulpflichtige Kinder oder sind krank, und wir können uns nicht leisten, ein Arbeitsangebot auszuschlagen. Der Kater zieht sich von Couch zu Sessel und wieder zurück und auch der Hund mag keinen Regen und liegt lieber tagträumend im Körbchen. Ein ruhiger Tag.

Und trotzdem bringt jeder neue Tag neue Herausforderungen. Vor einigen Tagen brach der Siphon unter der Küchenspüle. Kurzfristig diskutierte man in der Familie, ob es nicht auch Klebeband täte, zumindest bis nach Ostern. Weil sich die Wasserlache aber bis ins Wohnzimmer zog, gab man genervt nach und hoffte, es möge nicht allzu teuer werden. Am Ende wurde es kein großes Drama, der Handwerker kam und ließ die Kirche im Dorf. Jetzt haben wir einen neuen Siphon und keine Wasserlache mehr. Wie gut, dass man sich im Vorfeld nicht entsetzlich darüber aufgeregt hat.

Alles in allem stelle ich fest, je älter ich werde, dass die meisten Dinge ihre Aufregung einfach nicht wert sind. Ich möchte dabei nicht wie der gemeine Kölner damit argumentieren, dass es doch immer noch gutgegangen hat, denn das hat es gar nicht immer. Trotzdem fand sich eine Lösung, wenn auch nicht die beste mögliche, aber das wurde uns vom Leben auch nicht versprochen. Und genau das antworte ich nun blind auf die Nachricht, denn es passt eigentlich zu jeder Lebenslage. Ich füge an, dass das vermutlich kein großer Trost ist.

Nun bin ich auch kein großer Experte im Trost spenden. Irgendwann auf dem Weg haben sich meine Troststeine im großen und kleinen Leid des Lebens einfach aufgebraucht wie eine Schachtel Würfelzucker. Geblieben sind ideologische Durchhalteparolen und die Erkenntnis, dass das Leid anderer Menschen oft schwerer zu wiegen scheint als das eigene. Eine Erklärung dafür habe ich noch nicht gefunden.

Inzwischen hat es aufgehört zu regnen. Die Sonne strahlt auf das satte Grün des Rasens, die Frische des Regens liegt noch in der Luft. Die Suppenfreundin ist zurück und beschließt spontan, mit den Jungs den neu gebauten Kletterpark auszuprobieren. Es wird still im Haus, so still, dass man den Kühlschrank arbeiten hört.

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2 Kommentare

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2 Antworten zu “Nach dem Regen

  1. Deine stille und tiefe Art zu erzählen, sind mir häufig Trost.

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  2. Nach dem Lesen sehe ich mich leicht zufrieden aus dem Fenster schauen…so kann man also auch über Fastalltäglichkeiten schreiben.
    Gruß von Sonja

    Gefällt 2 Personen

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