Stressige Zeiten

Manchmal frage ich mich am Ende einer Woche, wie wir das eigentlich alles hinbekommen. Den Wahnsinn, der aus der Schule kommt, den Wahnsinn, der aus dem Alltag kommt, den Wahnsinn, den wir dann auch noch zu Hause haben. Im Augenblick drückt sich das alles gleichzeitig in unser Leben. Und so verbringe ich meinen Morgen wieder einmal im Homeoffice. In meiner Funktion als Assistentin meines Schulkindes beantworte ich E-mails, lege Termine um und suche Selbstlernwebsites auf. Ich ordne den Papierkram von den gestrigen Hausaufgaben, fülle Evaluationsbögen der Grundschule aus, arbeite die Materialliste fürs neue Schuljahr ab und plane die Stoffwiederholung für die morgige Klassenarbeit.

Irgendwann muss ich das Papier aus der Hand legen und zu meinem Zweitjob hetzen. Als Mutter mache ich jetzt die Betten, koche das Mittagessen, räume die Flächen frei und die leeren Pizzakartons aus dem Zimmer. Wenn der Chaosprinz aus der Schule kommt, essen wir zu Mittag, dann beginnt mein Aushilfsjob als Lehrerin. Wir sichten zusammen alle neuen Unterlagen, machen eine Umfrage zum Thema „Rauchen“ mit dem Nachbarn, versuchen, die Elemente eines förmlichen Briefes herauszuarbeiten und üben schließlich noch das Kopfrechnen. Am Nachmittag packen wir seine Tasche für den Campingausflug am Wochenende.

Manchmal frage ich mich, wie das alles in ein Leben passt. Dann versuche ich inne zu halten und bewusst zu atmen. Einatmen: acht Klassenarbeiten in einem Monat, Ausatmen: was auch immer er schreibt, der Schulplatz ist schon zugeteilt. Einatmen: Am Wochenende will die Klasse campen gehen und der Chaosprinz will unbedingt mit, Ausatmen: S. kann uns eine Isomatte leihen. Einatmen: was für ein völliger Irrsinn um mich herum, Ausatmen: das kriege ich alles schon irgendwie hin.

Ich bin eine Hausfrau. Manchmal langweilt mich dieser Zustand heftig und mir fehlt jede intellektuelle Herausforderung. Dann will ich einen ordentlichen Beruf, in dem ich für ein paar Stunden das Schachtelhaus gedanklich verlassen und mich irgendwelchen, völlig unwichtigen Wirtschaftsanalysen widmen kann. Blöde Daten auswerten, die keinen Hund interessieren, damit ich sie hernach in sauber beschriftete Ordner heften kann, in die niemand mehr reinguckt. Das klingt irgendwie befriedigend.
Ich bin aber nur Hausfrau. Ich sorge dafür, dass der Chaosprinz kein weiterer Stein in der eintönigen Mauer des modernen Pyramidenbaus wird. Dass die finite Fremdbetreuung seine Kreativität nicht völlig erstickt und die gesellschaftliche Zwangsnorm ihm nicht mehr Schaden zufügt als unvermeidbar ist. Das ist mein Job. Als Personal Trainer eines Chaosprinzen bemühe ich mich darum, nicht die gleichen Fehler zu machen wie meine Mutter. Ich mache dafür andere, das lässt sich nicht ändern.

Die Freude auf die Sommerferien steigt derzeit mit jedem Tag. Nicht, weil wir irgend etwas besonderes vorhätten. Auch dieses Jahr ist an Urlaub gar nicht zu denken. Aber wir haben uns fest vorgenommen, uns nichts weiter vorzunehmen. Wir erteilen den Alltagspflichten einfach eine Absage, denn das haben wir uns wirklich verdient. Wir hätten uns noch so viel mehr verdient, aber das Leben ist nun mal nicht gerecht. Und auch das lässt sich leider nicht ändern.

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