Die letzten Wochen der Grundschulzeit sind ereignisreich und in emotionaler Abschiedsstimmung zu Ende gegangen. Zurück bleibt eine enorme Erleichterung und eine Spur Nostalgie, wie sie sich über alles legt, was unwiederbringlich vergangen ist. Nun sind die herbeigesehnten Sommerferien endlich da und was machen die Jungs? Sie spielen Schule.
Ich schlafe lange. Dann stehe ich auf und mache nichts. Ich genieße das Tun von nichts, das Fehlen von Dringlichkeiten, obwohl sie doch reichlich vorhanden wären, aber das scheint mir im Augenblick alles Kür zu sein. Die Grundschulsachen sind im Keller gut in Kisten verstaut und warten auf eine spätere Revision, wenn der Abstand groß genug ist, um zu entscheiden, was einer Aufbewahrung würdig ist.
Geschrieben habe ich in den letzten Wochen kaum, ich habe mich verunsichern lassen, traute meinen eigenen Worten nicht mehr und ließ sie deshalb links liegen. Wenn man keine eigenen Worte findet, borgt man sich fremde, und deshalb ließ ich mir vergangene Woche die diesjährigen Bachmanntexte vorlesen. Wie immer war es reichlich durchmischt, konzentrisch kreisen mehr oder weniger junge Autoren mehr oder weniger eng um die eigene Existenz. Hängen blieb mir eine Ein-Zeilen-Definition von Menschheit und die Erkenntnis, dass wir, wenn wir über Menschheit sprechen, immer nur Teile davon meinen. Eine Begrenzung findet dieser Begriff immer mit den Grenzen des eigenen Horizonts, da kann Mensch sich noch so sehr um Inklusion bemühen, sie gelingt trotzdem immer nur in dem Rahmen des eigenen Erlebens.
Es ist auch nicht so, als wären in den vergangenen Wochen nicht genug Themen aufgetaucht. Jedes einzelne wäre seitenfüllend gewesen, nur hätte nichts davon zu einem zufriedenstellenden Ergebnis geführt. Es ist, als könne ich lediglich konstatieren, und manchmal sieht es mir so aus, als seien mit der reine Aufzählung dessen, was ist, die Grenzen meiner Sprache schon erreicht. Dabei müsste Sprache doch so viel mehr können. Aber in einer Welt, die unablässig Informationen produziert, um sie zu verkaufen, weiß ich schon längst nicht mehr, welche ihr Geld wert sind. Als hätte ich mich irgendwo in der Postmoderne verlaufen, an einer Gabelung falsch abgebogen vielleicht, und jetzt finde ich den Ausgang nicht mehr.
In einer Woche fahren wir weg. Für eine Woche in einem freundlich geliehenen Ferienhäuschen irgendwo in der Eifel, nicht weit weg von uns. Der Chaosprinz und sein bester Freund aus der mongolischen Hochebene haben sich das sehr gewünscht. Mir scheint aber, dass für sie der Ortswechsel nur bedingt einen Unterschied machen wird, denn die Jungs haben seit Freitag Nachmittag das Kinderzimmer einzig zum Pinkeln verlassen. Dreimal am Tag schieben wir Teller mit Essen unter der Tür durch, ansonsten ist unsere Gesellschaft gerade unerwünscht.
Der erste Tag von sechs langen Wochen liegt vor mir, er präsentiert sich in einem trüben deutschen Grau. Ich sollte jetzt im Süden sein, denke ich, am Meer, irgendwo an einem Strand, an dem ich jeden Felsen kenne. Ich sollte mir entspannt und glücklich von der heißen Sonne große Löcher in mein dickes Winterfell brennen lassen und alte Bekannte treffen. Es ist so falsch, denke ich, dass ich alles, was ich jemals an Ressourcen besessen habe, in ein Leben investiere, welches ich abgrundtief verabscheue, an einem Ort, an dem ich lieber sterben als leben wollte.
Aber auch dieses sechs Wochen werden verfliegen, wie es der Zeit zu eigen geworden ist, und dann kommt die weiterführende Schule und mit ihr die ungeliebten Notwendigkeiten und das Rad dreht sich unaufhaltsam, als wäre der Weg nur noch abschüssig und kurvenreich.
Was übrig bleibt, ist Hoffnung, die immer noch da ist, auf Veränderung, auf ein erträumtes Wunder, und die Sehnsucht nach dem Süden.