Nun ist das Neue Jahr endlich da und mit ihm die Euphorie eines Neubeginns. In weißer Weste präsentiert sich 2023 der Welt und verspricht unendlich viele Möglichkeiten. Alles soll besser werden, man will es zukünftig anders machen, denn wir wissen ja alle, was eigentlich richtig wäre. Dass der beste Vorsatz schnell im Alltagssumpf versinkt, mit zunehmendem Alter übrigens viel schneller, so scheint mir, darüber denkt niemand nach an diesem ersten Ersten, der noch so jungfräulich zart in seinen Kinderschuhen steckt. Noch ist die erste Zigarette nicht geraucht, das Frühstück war eine gesunde Wahl und auf dem Herd kocht das ausgewogene Mittagessen. Noch sind keine bösen Worte gefallen, der Stress wird am Neujahrstag keine Chance gelassen.
Und so habe auch ich meinen Vorsatz, keine Neujahrsvorsätze mehr zu fassen, über Bord geworfen, und trotzdem welche gefasst. Passend zum Wort des Tages im Nachbarblog betrete ich meine persönliche Drehtür in der Hoffnung auf neue Räume. Viel ist es nicht, was ich mir zum Vorsatz gemacht habe. Es sind eher die Kleinigkeiten, die mich an mir und meinem Leben stören, aber meine Mutter sagte immer, dass es der Gott der kleinen Dinge ist, der große Veränderungen bewirken kann. Hier ein Klecks, da ein Strich und mit ein klein wenig Glück und viel gutem Willen entsteht ein Bild, das man gern betrachtet.
Große Veränderungen, so meine Mutter weiter, entstehen ohnehin meist zufällig. Oft hat man sie auch gar nicht in der Hand. Das Schicksal, die große unbekannte Konstante, spielt ihr zufälliges Spiel. Dahinter verbirgt sich keine versteckte Taktik, dem Universum sind die Spielfiguren gleichgültig, die über das Feld geschoben werden. Ein Orkan entsteht für gewöhnlich ohne das eigene Zutun, dagegen kann man nicht viel tun, außer die eigenen Fenster zu verbrettern. Und mit ein bisschen Glück ist es nur ein wenig Regen, den die Winde schnell weiterschieben.
Beim Nachlesen fällt mir auf, dass ich gar nicht beabsichtigt hatte, es so fatalistisch klingen zu lassen. Manchmal betrachte ich die Welt in all ihrer Unvollkommenheit, als sei ich kein Teil von ihr. Ich sehe Ungerechtigkeit, Armut und Kriege. Ich entdecke ein Ausmaß an Not, Leid und Elend und beobachte als Antwort darauf Kälte, Gleichgültigkeit und Härte. Niedergeschlagen ziehe ich dann Vergleiche zwischen mir und der Welt und frage mich, wie viel ich dem entgegenzusetzen habe. Die Antwort darauf ist: rein gar nichts! Ich besitze nichts, um die Welt zu einem freundlicheren, helleren und gerechteren Ort zu machen. Seien wir realistisch, dafür bräuchte man einen Feenstab. Am besten gleich mehrere.
Das kann einen schon mutlos machen, oder? Und aus großer Mutlosigkeit erwächst Resignation. Bei Chuck Palahniuk las ich einmal von einem Experiment, bei dem den Probanden Fotos unterschiedlich starker Paradontosegrade gezeigt wurden. Der ersten Gruppe wurde ein schwacher Befall gezeigt, der zweiten ein mittlerer und der dritten Gruppe schließlich die stärkste Krankheitsprogression. Anschließend hat man einige Zeit lang das Zahnputzverhalten der Gruppen beobachtet und folgendes festgestellt: Die erste Gruppe änderte ihr Putzverhalten kaum. Die zweite Gruppe begann, ihre Zahnputzgewohnheiten zu intensivieren. Und die dritte Gruppe? Die putzte fortan viel weniger ihre Zähne. Die vermeintliche Übermacht der Paradontitis ließ sie einfach aufgeben.
Keine Ahnung, ob es das Experiment wirklich gegeben hat, aber ich kann das sehr gut verstehen, denn manchmal fühle ich mich ganz genauso. Dann will ich aufgeben, noch ehe ich die Drehtür überhaupt erreicht habe. Aber wer nicht kämpft, sagt die weise Freundin, der hat bereits verloren.
Das ist also mein Vorsatz für das Neue Jahr – einer, den ich jährlich fasse, seit ich bewusst denken kann. Eigentlich müsste ich ihn täglich neu fassen, jeden Tag zum Neujahrstag machen, um ihn nicht auffressen zu lassen vom Alltagsmonster.
Ich wünsche euch allen ein glückliches, zufriedenes und gesegnetes Neues Jahr 2023.
Lasst euch nicht entmutigen!

Das Bild zeigt das Ergebnis eines Silvesterexperiments des Chaosprinzen.
Einen Versuch wäre es wohl wert.
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Ebensolche Wünsche von hier nach Ihnen beiden! / Es gibt ja noch eine Probandenvariante, nämlich das mit dem Rauchenaufhören gleich sein zu lassen, dafür aber 5x tgl. die Zähne mit einer höchstpreisigen Stiftungwarentest-Siegerin zu bearbeiten. Vielleicht tun ja kleine moderne Ablaßhändel ihr seiniges? /Herzliche Grüße!
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