Am Samstag habe ich meine Hausaufgaben gemacht.

Ich nehme mir vor zu schreiben. Ich nehme mir vor zu schreiben. Ich nehme mir vor zu schreiben, denn Schreiben ist ein Muskel, der trainiert werden will. Und wenn ich auch sonst nicht viel vom Trainieren verstehe, so wenigstens das. Als der Chaosprinz seine ersten Texte für die Schule schreiben musste, habe ich ihm diesen Trick verraten. Schreib immer einen ersten Satz hin, hab ich ihm gesagt, dann ist das Weiß des Papiers gebrochen und die Hemmschwelle überwunden. Gemeinsam suchten wir nach einem, der immer geht. Damals mussten sie montags über ihr Wochenende schreiben. Wir einigten uns auf den Satz: „Am Samstag habe ich meine Hausaufgaben gemacht.“ Fällt das nicht auf?, fragte der Chaosprinz.
Der Chaosprinz hatte dahingehend nichts zu befürchten, denn er meldete sich dafür nie. Er fand, es ginge niemanden etwas an, wie er seine Wochenenden verbrachte, und wunderte sich darüber, warum die übrigen Schüler seiner Klasse so heiß darauf brannten, von ihrem Wochenende zu berichten. Deshalb dachte er sich seine Wochenenderlebnisse einfach aus. Im Sommer war er immer im Schwimmbad, im Winter hatte er immer einen Film geschaut. Etliche Texte, die alle dasselbe enthalten, perfektionierte Eintönigkeit zu gefälligen Sätzen geformt. In vier Jahren wurde er nur ein einziges mal drangenommen. Hinterher berichtete er, dass sie ausgerechnet an jenem Wochenende überhaupt keine Hausaufgaben aufbekommen hatten. Er hatte seinen ersten Satz deshalb einfach weggelassen und nur den erdachten Rest vorgelesen.

Mit dem Neuen Jahr ist es ja so, dass es gerade zu Beginn anfängt zu rennen. Die Zeit rast in einem atemberaubenden Tempo, dass Februar ist, bevor man sich im neuen Jahr überhaupt orientieren konnte. Aus Angst, den Januar auch dieses Jahr wieder komplett zu verpassen, versuche ich mich in bewusster Langsamkeit. Achtsam fülle ich den Wasserbehälter auf, lege den Filter ein, befülle ihn mit Kaffeepulver und sehe dann dabei zu, wie die braune Brühe langsam in die Glaskanne läuft. Die Suppenfreundin ist zur Arbeit gefahren, die Jungs schlafen noch tief. Ich will den frühen Morgen festhalten, aber er gleitet mir aus den Händen und zerschellt auf dem Fliesenboden. In Zeitlupe sehe ich ihn achtsam fallen, kann ihn aber nicht aufhalten. Um mich herum tobt der Alltagswahnsinn aufgelaufener Jahre, darin macht auch das Neue keine größeren Unterschiede. Als würde das Zusammentreffen der Zeiger um Mitternacht des ersten Januars irgendetwas daran ändern. Hoffnung habe ich immer, doch schon in der ersten Woche holt mich die Realität krachend auf die harten Fliesen der Realität zurück.

Die stumpfe Helligkeit, die von draußen kommt und alles in den grauen Farbtopf taucht wie in alten Filmen, fördert nicht gerade meine gute Laune. Ich vermisse die Kälte eines anständigen Winters und die Freuden des strahlenden Schnees. Wie jedes Jahr nehme ich mir auch dieses vor, den kommenden Winter in irgendeinem eingeschneiten, vereisten Kaff an einem warmen Kamin zu verbringen, eingewickelt in meine selbstgestrickte Restedecke, Bettsocken an den Füßen und einen weichen Loop um meinen Hals. Ich möchte süßen, goldfarbenen Kräutertee aus einer bauchigen Kanne und leckere Plätzchen, die von Weihnachten übrig geblieben sind. Ein gutes Buch in meiner Hand, von dem ich von Zeit zu Zeit aufblicke, um aus winzigen Sprossenfenstern zu beobachten, wie die Welt da draußen langsam zugrunde geht. So ließe sich die Winterzeit auch gut ertragen. Im kleinen Schachtelhaus, das in seiner luftigen Bauweise auf die Freuden einer wärmeren Jahreszeit abstellt, bieten die bodentiefen Fensterfronten zu allen Seiten einen mehr als tristen Blick auf das angegraute Ambiente. Da helfen auch die selbstgestrickten Socken und der goldwarme, süße Pfefferminztee aus der bauchigen Kanne nur wenig. Dabei fällt mir ein, dass ich heute ja noch Plätzchen backen wollte, denn morgen ist Heiligabend.

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