Was planst du für Weihnachten, frage ich meine Freundin über Viber.
Nichts, sagt sie, ich werde zu Hause sein, allein. Und ihr?
Ich erinnere mich an ein hübsches Kleidchen aus tiefdunkelblauem Samt und weißen Satinschleifen im geflochtenen Haar. Seit dem frühen Morgen hat meine Mutter den Tag in der Küche verbracht, ich war überall im Weg. Am Vormittag durfte ich im ganzen sorgfältig geputzten Wohnzimmer einen Sack Heu auf dem Boden verteilen. Jetzt dämmert es schon langsam. Der Esstisch ist festlich gedeckt, für uns Kinder ist der Küchentisch vorgesehen, ich wippe ungeduldig auf meinem Stuhl und warte gespannt auf das erste Klingeln an der Haustür.
Ich erinnere mich an den hübsch geschmückten Weihnachtsbaum, der noch vom 24. Dezember dort steht, und daran, wie meine Mutter eine Schallplatte mit geistlicher Musik auflegt. Auf dem Herd kocht der Raki und verströmt einen süßlichen Duft. Wenn sich alle im Wohnzimmer versammeln, wird das Vaterunser gesungen, vier vorher bereitgestellte Walnüsse werden in die vier Himmelsrichtungen geworfen; in den nächsten Wochen werde ich einige von ihnen durch Zufall beim Spielen wiederfinden.
Während die Gäste Platz nehmen, öffnet meine Mutter eine erste Flasche Rotwein, schenkt ein halbes Glas voll ein und schüttet es schwungvoll aus dem Handgelenk über das blütenweiße Damast Tischtuch.
Auf dem Tisch stehen dreizehn unterschiedliche Fastenspeisen, dazwischen hat meine Mutter die polierten silbernen Kerzenständer aus ihrem Elternhaus aufgestellt. Es wird viel gelacht an den Tischen, viel erzählt. Manchmal schleicht eines der Kinder zum Wohnzimmer, um einige Gesprächsfetzen aufzufangen und sie uns am Küchentisch brühwarm zu erzählen. Am Hausaltar brennt das Ewige Licht, um das wir uns nach dem Essen alle versammeln, um gemeinsam das Weihnachtslied zu singen. Dann fahren wir in einem Konvoi zur Kirche.
Von überall strömen sie in dieser Nacht herbei. Manche sind einen langen Weg gefahren, um pünktlich zu sein. Die Kirche ist mit trockenen Eichenzweigen geschmückt, der Boden ist mit Heu bedeckt, der Weihnachtsbaum, der Badnjak, steht hinter der Ikonostase bereit. Während der Liturgie spielen wir Kinder im Vorgarten oder helfen den Frauen in der Küche. Wir freuen uns auf die kleinen Pakete mit Nüssen, Orangen und Süßigkeiten, die wir bekommen werden und auf das große Weihnachtsfeuer. Hin und wieder schlüpfen wir durch die Menschenmengen zu unseren Eltern, um zu sehen, wie weit die Liturgie ist.
Schließlich ertönt der freudige Ruf. Auf den Ausruf des Bischofs „Christ ist geboren!“ antwortet die Gemeinde „Wahrlich, er ist geboren!“ Ab jetzt wird dies der einzige Gruß für die nächsten Tage sein.
Die Popen kommen aus der Kirche auf den Vorplatz, begleitet vom Chor, der das Weihnachtslied singt. Dahinter tragen ein paar starke Männer den Badnjak. Während das Feuer brennt, laufen wir Kinder in die nun leere Kirche und erhalten unsere liebevoll gepackten Pakete, bevor die Erwachsenen wiederkommen, um einen Eichenzweig für Zuhause mitzunehmen. Auf dem Vorplatz werden Sardinenbrötchen und heißer Raki gereicht. In einem der Gläser befindet sich eine Münze, Glück für ein ganzes Jahr.
Eine Gruppe Romamusiker hat ihre Instrumente ausgepackt und spielt am Feuer. Ich werde langsam müde und verschütte etwas Fanta auf meinem Kleid.
Auf dem Heimweg schlafe ich schon im warmen Auto ein. Meine Mutter trägt mich ins Bett. Einmal werde ich kurz wach, dann übermannt mich bleierne Müdigkeit. Am nächsten Morgen, das weiß ich, wird mich der Duft eines frisch gebackenen Brotes, der Cesnica, wecken.
das ist wunderschön. ich habe das leider nie so erlebt, den geist der weihnacht. und konnte es deswegen auch nicht an meine kinder weitergeben.
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Was Bdnjak ist, habe ich nachgeschaut, ein paar Fremdheitsdinge gelesen, gestaunt…
Wie anders , wie anders. Dazu fällt mir noch dieses kaschubische Gedicht von Bergengruen ein, warum auch immer…
Gruß von Sonja
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Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit. Vieles davon erhalte ich für den Chaosprinzen, aber manches ist mir verloren gegangen. Es ist nicht einfach in der Fremde die Tradition weiterzugeben, aber dann wiederum ist es ohnehin nicht einfach, egal, wo man sich befindet. Wir befanden uns jedenfalls zu jener Zeit schon in Deutschland und es hat mir immer imponiert und mich gleichzeitig gelehrt, die Traditionen meines Herkunftslandes genauso zu respektieren und zu feiern wie die meiner Wahlheimat. Diesen Geist möchte ich dem Chaosprinzen weitergeben, sei es Weihnachten, Ostern oder Karneval. Das macht das Leben reich!
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