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Hurra, der Chaosprinz ist wieder da!

Eines der vielen Ereignisse, auf die das Leben einen nicht vorbereitet, wenn man ein Kind hat, fand vergangene Woche von der Öffentlichkeit völlig unbemerkt statt: Der Chaosprinz war zum ersten Mal auf Klassenfahrt. Jetzt ist er wieder da und mein Herz läuft über vor Dankbarkeit und Freude. Denn diese Stunden, in denen der Chaosprinz mit seiner Klasse unterwegs war, waren die längsten meines Lebens. Bisher.

Er sprudelt, der Chaosprinz. Erzählt von Nachtwanderungen und versunkenen Vulkanen, von der Mühe, seine Bettwäsche aufzuziehen und der Sturmwarnung, die das Stockbrotevent verdorben hat. Von der defekten Musikanlage, die bei jedem dritten Lied während der Kinderdisko einfach ausgefallen ist, und von seinem Mitbewohner, der ihn nicht hat schlafen lassen.

Und dann erzählt der Chaosprinz noch etwas anderes: Auf der Hinfahrt wies ihn eine Lehrerin an, seinen Rucksack zu übergeben. Sie kramte ihn komplett durch, holte die Sachen heraus und ließ dann ab: „Einpacken!“ Eine Entschuldigung erhielt er nicht.

Der Chaosprinz war nämlich auf der Hinfahrt unter Verdacht geraten, heimlich sein Handy auf die Klassenfahrt geschmuggelt zu haben. Weshalb, das weiß er auch nicht so genau. Er murmelte etwas von einer email, konnte aber den genauen Grund nicht wiedergeben. Offenbar hatte die Lehrerin ihn vorher gefragt, ob er sein Handy heimlich dabei hätte. Der Chaosprinz antwortete wahrheitsgemäß. Er besitzt nämlich noch gar keines. Seine Mutter ist ein blöder, völlig anachronistischer Dinosaurier, der findet, dass Grundschulkinder noch kein eigenes Handy brauchen. Ebenso wie keinen eigenen Computer, keine Spielkonsole, nicht einmal einen eigenen Fernseher im Zimmer. Ja, so scheiße ist seine Mutter.

Ich war außer mir vor Wut.
Zunächst einmal ist mir von Elternseite wohl bekannt, welche Kinder sich über das Verbot hinweggesetzt und ihre Handys trotzdem mitgenommen haben. Ich verurteile diese Eltern nicht. Wer, wenn nicht ich, könnte besser verstehen, wie schwer es ist, das eigene Kind zum ersten Mal fast ganze drei Tage loszulassen, ohne zumindest mal zu hören, wie es läuft. Ich selbst hatte kurz mit dem Gedanken gespielt, ins Auto zu steigen und dem Chaosprinzen inkongnito nachzufahren, ist doch ein freies Land? Ich könnte doch rein zufällig – ? Nein! Tatsächlich habe ich tapfer diese Zeit in würdevoller Panik im Pyjama auf dem Sofa durchgestanden. Dafür bewundere ich mich jetzt noch nachträglich.

Desweiteren: Mit der Ankündigung der Klassenfahrt und der beigefügten Zahlungsaufforderung kam unter anderem eine lange Liste Vorgaben für die mitzubringenden Sachen. Ich habe alles auf einen Haufen gesammelt. Dann habe ich alles in den Koffer gepackt. Dann packte ich alles wieder aus und ließ den Chaosprinzen packen. Schließlich musste er wissen, wo seine Sachen sich befinden, nicht ich. Selbst wenn, das möchte ich hier ausdrücklich betonen, selbst wenn der Chaosprinz ein eigenes Handy besitzen würde, so hält er sich doch an Regeln. Und wenn nicht er, dann doch ganz sicherlich ich. Dafür bin ich schließlich verantwortlich.

Ich schluckte meine Wut hinunter, nachdem ich kurz im Netz recherchiert hatte, dass Lehrer überhaupt nicht befugt sind, in das Reisegepäck der Kinder zu schauen, selbst dann nicht, wenn ein berechtigter Verdacht vorliegt. Der Chaosprinz hatte in seiner Angst seinen Rucksack übergeben, ein Anwalt würde wohl von Machtmissbrauch über Schutzbefohlene sprechen, es lag aber keine konkrete Verweigerung von seiner Seite vor. Ich schrieb einen freundlichen Brief, in dem ich erfragte, wie der Chaosprinz denn überhaupt unter Handyverdacht geraten sei. Ich verkniff mir, die Lehrerin darauf hinzuweisen, dass sie wohl über die Hälfte aller Süßigkeiten, Colaflaschen, horrender Taschengeldsummen und nicht zuletzt mehr als ein Dutzend Handys einkassiert hätte, hätte sie mal in die Koffer der anderen Kinder geschaut, statt den Rucksack meines Kindes zu durchsuchen. Ich erlaubte mir nicht einmal die Bemerkung, dass es in der Regel doch immer genau die Kinder seien, von denen man gar nicht erwarte, dass sie die Regeln brechen, die die Regeln dann tatsächlich brechen. Wenn ich als ehemalige Schülerin das schon weiß, sollten Lehrerinnen das doch eigentlich auch wissen. Ich sprach auch nicht davon, wie demütigend es für den Chaosprinzen gewesen sein muss, dass nur sein Rucksack durchsucht worden ist. Oder wie beleidigend das für mich als Mutter ist. Denn J. hat Recht, wenn sie sagt, dass die Geschichte eigentlich nur für einen furchtbar demütigend ist, nämlich für die Lehrerin selbst.

Ich packe den Koffer des Chaosprinzen Stück für Stück aus. Alles darin ist feucht. Die Hälfte aller Socken fehlt, die andere passt nicht zusammen. An der Jeans klebt der Dreck. Ein Schuh ist im Rucksack, der andere im Koffer, aber immerhin sind beide da. Die Zahnbürste ist unangetastet. In einer Tüte befinden sich ein halbes Dutzend faustgroßer Sandsteine. Sie haben durch den Koffer gebröselt.

Alles in allem also genau so, wie ich es erwartet hatte. Der Chaosprinz war auf seiner ersten Klassenfahrt. Er war für sich selbst verantwortlich, musste Schwierigkeiten bewältigen, wurde unter Verdacht gestellt, hat spät abends Liebesbriefe unter der Tür des benachbarten Mädchenzimmers hindurchgeschoben, ist lange aufgeblieben und hat Gruselgeschichten mit seinem Zimmernachbar getauscht. Er hat sich sein Frühstück vom Büffet organisiert, seine Lunchbox allein bestückt, sich Getränke aus dem Automaten gezogen und abends über die schlechte Herbergsküche gemault. Er hat seiner Mutter und der Suppenfreundin sogar ein Geschenk mitgebracht. Und was für eins!

Die Mutter des Chaosprinzen war unterdessen stark genug, ihrem wundervollen Kind und dem Leben selbst zu vertrauen, und hat ihrem Chaosprinzen heiter eine fantastische Zeit gewünscht. Sie hat ihm unentwegt Mut gemacht und ihm eine Menge Spaß versprochen. Und sie hat heimlich nur ein ganz kleines bisschen geweint, als sie dem Chaosprinzen nachgewunken hat. Seine Mutter hat ihre übermächtige Panik immer wieder tapfer bezwungen wie eine Bärin, während sie über 52 Stunden hindurch auf ihren Sohn gewartet hat, die Uhr fest im Blick. Sie hat andere Mütter, die in ähnlicher Panik bei ihr anriefen, um zu hören, ob sie etwas gehört habe, beruhigt und ihnen gesagt, dass keine Nachrichten immer gute Nachrichten sind. Die Mutter des Chaosprinzen ist eine Heldin gewesen, die ihren Chaosprinzen nach der Ankunft in den Arm genommen und fast zwei ganze Stunden nicht mehr losgelassen hat. Und dabei hat sie dann bemerkt, dass der Chaosprinz in diesen Tagen ein ganzes Stück gewachsen ist.

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Gott und die Welt

Der Chaosprinz hat Stress mit seiner neuen Religionslehrerin. Er sagt, sie lasse sie in Religion immer nur nach Vordruck malen, während sie vorne irgend etwas über Gott und die Welt erzählt. Und tatsächlich finde ich in seinem Ranzen die immergleiche Friedenstaube, die er wahlweise mal bunt, mal gemustert und mal in Grautönen ausmalt. Manchen Friedenstauben hat er ein paar Gefährten dazu gemalt, andere lassen Nuklearbomben auf Hochhäuser fallen, von deren Dächern Strichmännchen mit Panzerabwehrraketen auf sie schießen.

Es ist anstrengend dieser Tage. Nächste Woche fährt der Chaosprinz zum ersten Mal für drei Tage auf Klassenfahrt. Als wäre das nicht ausreichend Grund zur Panik, sind bereits Wochen zuvor besondere Vorkehrungen dafür zu treffen. Während nun auch in Deutschland die Pandemiemaßnahmen zurückgefahren werden und in den Schulen keine Maskenpflicht mehr gilt, haben sie die vierten Klassen dazu verdonnert, sich eine Woche vor der Klassenfahrt jeden Tag im Bürgertestzentrum testen zu lassen. Das Testergebnis ist auszudrucken und dem Kind am Folgetag mitzugeben. Ein Wunder, dass es im Land der dreifach ausgefertigten Bürokratie nicht schon viel früher zu Papierknappheit gekommen ist.

Wie heißt deine Religionslehrerin denn, frage ich den Chaosprinzen und denke, vielleicht sollte ich mal mit ihr sprechen. Ihr sagen, dass das Ausmalen von Friedenstaubenausdrucken kein Religionsunterricht ist. Dass man auch Kindern schon mit Ernsthaftigkeit und Begeisterung die Geschichte von Gottes Sohn erzählen kann. Ich könnte ihr sogar Tipps zur Unterrichtsgestaltung geben, nach dem Hausunterricht während der Pandemie, in dem ich mehr Lehrerin als Mutter war, kenne ich mich mittlerweile in der Materie richtig gut aus. Keine Ahnung, sagt der Chaosprinz, ich höre ihr so gut wie nie zu.

Nachts in meinen Träumen bin ich immer öfter wieder ein Schulkind. In den Achtzigern herrscht Kalter Krieg, trotzdem fühle ich mich sicher hinter den Mauern des Klosters auf dem niedrigen Dach, auf dem wir mit den Schwestern Ball spielen. Die Menschen, die ich treffe, sind größer als ich und ich muss den Kopf in den Nacken legen, um in ihre Gesichter zu schauen. Alle Frauen sind Mütter und alle Männer Väter. Meine Lehrer sind wohlwollend und gerecht, sie bemühen sich darum, dass ich verstehe, aber die meiste Zeit weiß ich nicht so genau, was ich da eigentlich tue. Namen kann ich mir schon gar nicht merken.

Ich versuche, zu vermitteln. Na ja, sage ich dem Chaosprinzen, Religionslehrerinnen an der Grundschule, du weißt schon. Das darfst du gar nicht so ernst nehmen, das tun sie nämlich auch nicht. Die sind seltsamerweise in jeder Grundschule gleich. Die sehen sich sogar alle irgendwie ähnlich, kein Wunder also, wenn du dir ihren Namen nicht merken kannst. Und beim nächste Mal, wenn sie dich wegen irgendetwas anranzt, erinnerst du sie daran, dass du orthodoxen Bekenntnisses bist. Das sollte helfen.

In Disenchantment, einer Comicserie, die der Chaosprinz und ich gemeinsam verfolgen, sagten sie einmal, Gott würde nur jedes 25. Gebet erhören. Wir haben darüber gelacht, aber genaugenommen würde das vieles erklären. Ich habe jetzt keine Lust, das zu berechnen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass vor dem Hintergrund unseres Bevölkerungswachstums und des zunehmenden Leids auf diesem Planeten rein stochastisch ein Mensch also sein ganzes Leben lang durchbeten könnte, ohne dass ein einziges Gebet von ihm erhört würde.

Bezüglich seiner Religionslehrerin bleibt der Chaosprinz heute morgen uneinsichtig. Er kann nicht verstehen, dass „erwachsen“ nur eine Frage des biologischen Alters ist und nichts über die persönliche Menschwerdung des einzelnen aussagt. Seiner Ansicht nach dürfen Ungerechtigkeit, Lügen und Ausfälle in der Welt der Erwachsenen gar nicht mehr vorkommen. Er stellt sich das alles anders vor, aber in Wahrheit ist die Welt der Erwachsenen oft auch nur Kindergarten. Es ist nur nicht sozial akzeptiert, darüber zu reden, also thematisiere ich es nicht. Stattdessen einigen wir uns an diesem Morgen darauf, dass er seine Religionslehrerin zukünftig einfach freundlich anlächelt, wenn sie ihm etwas sagt. Sollte sie zwingend eine Antwort von ihm erwarten, so passt „Das ist schön!“ eigentlich für die meisten Gelegenheiten.

Bevor mir die heutige Zeit zum Schreiben ausläuft, muss ich aber dringend noch eine Lanze für die Schule brechen und erwähnen, wie toll die Klassenlehrerin des Chaosprinzen ist. Nach drei Jahren bei einer Lehrerin, die ich gar nicht erst mit Menschen arbeiten lassen würde, habe ich Anfang der vierten Klasse endlich einen Klassenwechsel erreicht und das war ein absoluter Glücksfall, trotz dämlicher Religionslehrerin. Die Klassenlehrerin des Chaosprinzen ist wohlwollend und gerecht, sie ist in ihrer Menschwerdung erwachsen geworden. Seitdem läuft es für den Chaosprinzen und mich deutlich entspannter mit Schule. Vielleicht hat Gott meine Gebete ja doch erhört.

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Zeugnistage

Am Morgen vor der Zeugnisausgabe ist der Chaosprinz zum ersten Mal so richtig nervös.

Ein Rückblick:

Zeugnis der ersten Klasse:

Aus der Schule kommen zwei eng bedruckte Blätter Beamtendeutsch. Blocksatz für Blocksatz lese ich mich durch bewertungsreiche Begrifflichkeiten und bürokratische Blähworte. Dann lese ich es nochmal.
„Mama, ist das ein gutes Zeugnis?“ fragt der Chaosprinz.
Ich lese noch einmal.
„Ich weiß es nicht“, antworte ich ehrlich.
Auf meinem eigenen Zeugnis der ersten Klasse steht:
„N. hat sich schnell in die Klassengemeinschaft eingefügt. Sie beteiligt sich lebhaft am Unterricht und konnte durch ihre Fragen häufig Gespräche anregen. N. liest bekannte Texte in Schreib- und Druckschrift und kann kurze Sätze aus der Vorstellung schreiben. Sie erzählt gern und drückt sich dabei gewählt aus. N. kann Aufgaben im Bereich bis 100 meist ohne Hilfe lösen.“
Handgeschrieben.

Zeugnis der zweiten Klasse:

Es sieht aus wie das aus der ersten. Zwei Seiten eng bedruckt, deren zur Kenntnisnahme zu unterschreiben ist. Ich überfliege die vorgefassten Textbausteine. Aus der ersten Klasse weiß ich, dass ich das nicht verstehen kann. Ernst nehmen kann ich es auch nicht. Ich muss es lediglich unterschreiben.
„Und?“ fragt der Chaosprinz „Wie ist denn jetzt mein Zeugnis?“
„Toll!“ sage ich und hefte es in den Kinderordner.

Zeugnis der dritten Klasse, 1. Halbjahr:

Aus der Schule kommen acht (!) Seiten Ankreuzzeugnis. Fein zergliederte Fähigkeitstableaus in „sicher“, „überwiegend“, „wechselnd/teilweise“, „kaum/selten“, „noch nicht“ und „keine Angaben“. Für jedes Fach.
Ich überfliege die Kriterien. Was da alles wichtig scheint. Was da alles nicht drauf steht. Welche Bedeutung hat das alles nun für den Chaosprinzen?
„Wie ist mein Zeugnis?“ fragt er.
„Ach, ganz gut“, antworte ich.

Zeugnis der dritten Klasse, 2. Halbjahr:

Es sind wieder die acht Seiten. Die meisten Kreuzchen wurde einfach aus dem letzten Zeugnis übernommen. Seltsam, wo doch Musik, Kunst, Sport und Religion pandemiebedingt gar nicht stattfanden. Na ja, irgendetwas muss man wohl ankreuzen.
Der Chaosprinz ist tief enttäuscht. Ich lege ihm zum Vergleich meine Zeugnisse vor. Gymnasium, fünfte Klasse, 1. Halbjahr: „Englisch: ausreichend“, „Deutsch: ausreichend“, „Erdkunde: ungenügend“, „Mathe: mangelhaft“.
„Auweia“, sagt der Chaosprinz.
Ich zeige ihm mein Abizeugnis. Mein Unidiplom. Den ersten Arbeitsvertrag.
Er atmet erleichtert auf.

Am Mittag kommt der Chaosprinz aus der Schule.
„Mein Zeugnis ist besser als gedacht“, sagt er, „aber in Kunst hab ich ne Drei.“
Ich versuche, ein ernstes Gesicht zu machen:
„Och Mensch“, sage ich ärgerlich „damit wirst du es wohl kaum in den Louvre schaffen!“

Liebe Eltern,

wenn ihr in den nächsten Tagen die Zeugnisse eurer Kinder anschaut, dann seht sie bitte als das, was sie sind: Subjektive Bewertungen eines Lehrers von in Momenten aufgenommenen Leistungen eures Kindes. Abhängig von Tagesform und persönlichen Vorlieben. Macht euren Kindern bewusst, dass dieselbe Leistung, von vier verschiedenen Lehrern bewertet, vier verschiedene Ergebnisse erwarten lässt.

Eine gute Bildung ist wichtig, keine Frage. Sie macht einen großen Teil des Lebens aus und öffnet die Tore zur Welt. Sie lässt sich aber nicht erzwingen, abfragen oder einfach nur durchziehen. Sie sollte eingebunden sein in ein tieferes Verständnis zur Umwelt und zu sich selbst. Lernen sollte eine gute Erfahrung sein, eine freudige. Neugierde auf die Welt ist jedem Kind in die Wiege gelegt.
Und deshalb ist Bildung, liebe Eltern, nichts, was man lediglich der Schule überlässt.

Die Zwei in Deutsch, die Fünf in Mathe, die Vier in Musik macht eure Kinder nicht schlauer, erfolgreicher oder glücklicher. Sie sagt nichts, rein gar nichts über den Lebensweg aus, den eure Kinder beschreiten werden. Sie sagt noch nicht einmal etwas über die Fähigkeiten eurer Kinder aus. Denn die wesentlichen Fähigkeiten eurer Kinder werden in den Schulen nämlich gar nicht erfasst.

Eure Kinder sind Menschen der Zukunft mit einem großen Potenzial.
Als Mutter wünsche ich mir, dass der Chaosprinz sein Potenzial schulisch aber vor allem persönlich frei entfalten und daran wachsen kann. Dass er sich nicht an anderen sondern immer nur an sich selbst misst und zu einem glücklichen Menschen mit Herz und Verstand wird.

Wir sind nicht mehr Teil der Zukunft unserer Kinder, mahnt Khalil Gibran in seinem Gedicht „Von den Kindern“.
Wir dürfen das Beste für sie wollen.
Was das Beste für sie ist, müssen wir sie aber selbst herausfinden lassen.

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Steinsuppe

Jeden zweiten Sonntag gibt es bei uns Gemüsesuppe. Denn jeden zweiten Freitag kommt der Tafelmann und bringt eine Kiste voller Gemüse. Das meiste muss sofort verarbeitet werden, denn vieles davon ist schon ziemlich angegammelt.

Jedes Mal, wenn meine Mutter Suppe kochte, erzählte sie mir die Geschichte von der Steinsuppe.
Sie geht ungefähr so: Ein Fremder kommt mit einem leeren Kochtopf in ein Dorf. Er bittet die Dorfbewohner um etwas zu essen, aber an welche Tür er auch klopft, niemand hat etwas. Daraufhin geht der Fremde zum Bach, füllt den Topf mit Wasser und macht auf dem Marktplatz ein Feuer. Er stellt den Topf mit Wasser auf das Feuer und legt einen großen Stein hinein. Die Dorfbewohner werden neugierig und versammeln sich um den Fremden. Einer fragt, was er da macht, und der Fremde sagte, er mache eine „Steinsuppe“, die sehr lecker sei und die er gern mit allen Dorfbewohnern teilen würde. Allerdings fehlen ihm noch einige, wenige Zutaten, um den Geschmack zu verbessern. Was ihm denn fehlen würde, fragte ein andere. Der Fremde antwortet, dass ihm noch ein paar Möhren fehlen. Der Dorfbewohner hatte noch einige und gab sie dem Fremden. Ein anderer sagte, er hätte noch ein paar Kartoffeln. Sie wurden der Steinsuppe hinzugefügt. So brachte nach und nach jeder Dorfbewohner, was er noch hatte und erübrigen konnte, und immer mehr Zutaten wanderten in die Steinsuppe: Zwiebeln, Sellerie, Lauch, Tomate, Mais, Schmalz, Salz, Pfeffer und Fleisch. Am Ende nahm der Fremde den Stein aus dem Topf und teilte die Suppe mit den Dorfbewohnern.

Jedes Mal, wenn ich an jedem zweiten Sonntag unsere Sonntagssuppe koche, erinnere ich mich an diese Geschichte. In unsere Suppe kommt alles, was mitgekommen ist. Dadurch ist sie immer anders und ich fühle mich wie eine richtig gute Köchin.
Suppen sind überhaupt ganz großartig. Sie kommen in den unterschiedlichsten Gewändern daher. Mit Suppen wird es nie langweilig, trotzdem essen wir sie viel zu selten. Eine Tante von mir machte zu jedem Mittagessen eine Suppe. Sie nutzte dafür einfach die übrig gebliebene Gemüsebeilage vom Vortag. Eine tolle Idee.
Nun bin ich wirklich keine gute Köchin, nicht einmal eine ganz passable. Meine Qualitäten liegen auf weit unpraktischeren Gebieten. So kann ich zum Beispiel ganz ordentlich bügeln. Da wir aber so gut wie gar keine Bügelwäsche haben, besitzen wir auch kein Bügeleisen mehr und so verpufft meine Fähigkeit ins Leere.

Abgesehen davon, dass wir kein einziges Stoffteil im Haus bügeln und nur sehr unregelmäßig kochen, gehen wir noch viele andere Kompromisse bei der Hausarbeit ein. Das fällt vor allem mir schwer, denn ich möchte alles immer perfekt haben. Das Haus glänzt, vom Fußboden lässt sich speisen, ein jedes Ding hat seinen Platz und alle drei Tage wird die Bettwäsche frisch aufgezogen. Kurzum, ein auf Hochglanz gebürstetes Zuhause wie aus dem Katalog. Niemand lebt so, sagt die Suppenfreundin, wenn ich im Übereifer mal wieder den Staubsauger schwinge, wirklich niemand. Und dann lasse ich es auch meistens gut sein.

Aber auf die Steinsuppe jeden zweiten Sonntag muss ich bestehen. Sie krönt mich zu der guten Hausfrau, die ich gern wäre. Eigentlich, so denke ich manchmal, bräuchten wir für unsere Steinsuppe eine dieser altmodischen Suppenschüsseln aus Keramik. So eine, wie sie sich der Michel aus Lönneberga über den Kopf gezogen hatte und die dann zerschlagen und wieder geklebt werden musste. Aber das wäre nur ein weiteres Teil, das gespült werden müsste. Und so gibt es unsere Sonntagssuppe heute wieder aus dem Kochtopf. Mit diesem Kompromiss kann ich aber ganz gut leben.

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3,2,1 – Wochenende!

Es ist Wochenende, die Tage bis dahin sind immer sorgfältig abgezählt und sehnsüchtig erwartet. Zwölf Uhr Mittag, bis vor einer Stunde habe ich noch geschlafen. Der Chaosprinz spielt mit dem besten Freund. Aus einer Bananenkiste haben sie einen Bankautomaten gebaut, mit Karteneinzug und Geldausgabe. Der Automat steht nun mitten im Wohnzimmer und wartet auf seinen ersten Einsatz.
Draußen ist es immer noch kalter Winter, immer noch liegt kein Schnee und langsam fühle ich mich darum betrogen. Statt dessen grauer Nieselregen, der vom Himmel fällt, so leicht, dass man ihn kaum sehen kann. Wie ein Schleier legt er sich über den Blick und macht fast unsichtbar alles nass. Nur die Tropfen am nackten Rosenstrauch werden immer schwerer, bis sie schließlich zu Boden fallen.

Mein Kaffee schmeckt grässlich. Aus Kostengründen wechselte die Suppenfreundin beim letzten Einkauf zu einer Hausmarke. Ich frage mich, wer diese Brühe trinken soll, da fällt mir ein, für wen sie diese Abscheulichkeit überhaupt produzieren: für Menschen wie mich. Solche, für die es einen gewaltigen Unterschied macht, ob sie für ein Paket drei Euro mehr bezahlen. Aber diese Brühe kann man wirklich nur wegschütten.

Die letzten Jahre haben tiefe Furchen hinterlassen. Wir suchen die Nähe zueinander, rotten uns zusammen gegen die Kälte von draußen, dann hocken wir aufeinander und stoßen uns wieder ab. Ein bisschen Privatsphäre im eigenen Zimmer, dann kommt der Chaosprinz zurück, einsam und ein wenig gelangweilt. Eine Partie Schach, ein paar englische Vokabeln, kuscheln mit dem Hund. Seine Kindheit gegen meine eigene, erwachsen zu werden war damals schon anstrengend.
Vergiss nicht zu rennen, sage ich zu ihm, ganz gleich, in welche Richtung.

Und so träume ich heute vom Meer. Von der Hitze des Südens, salziger Luft und Plätzen, die ich Heimat nannte. Von Menschen, die es längst nicht mehr gibt. Ich träume von einem kleinen, einfachen Restaurant am Hafen eines kleinen Fischerdorfes, in dem es seit über vierzig Jahren den besten Fisch gibt. Meine Mutter folgte damals den Einheimischen, während die Touristen sich von bunten Tischdecken und gut gekleideten Kellnern zu billigem Tiefgefrorenen verführen ließen.
In mir schlafen fünfzig Jahre Einsamkeit.
Ich träume von fernen Ländern, die ich nur aus dem Fernsehen kenne. Von hohen Bergen und tiefen Schluchten, klaren Horizonten über weitem Ödland. Von Orten, an denen kein Regentropfen fällt, und sternklaren Nächten, in denen man die Melodie des Universums hören kann.
Ich habe Heimweh nach jemandem, der sich freut, mich zu sehen, und Fernweh nach dem, was ich noch nicht kenne. Es klingt danach, aber das ist kein Widerspruch. Gabriel Garcia Marquez nannte es „Leben, um davon zu erzählen“.

Das Leben aber kommt aus der Konserve.
Ich blättere Fotoalben durch, lese alte Reiseberichte, schaue Videos über ferne Winkel auf Youtube. Manchmal gehen wir auf google earth. Dann suchen wir nach Megastädten in Asien und einsamen Stränden im Pazifik, Urwäldern im Süden Amerikas und Wüsten in Zentralafrika. Ich zeige ihm Sibirien und Kamtschatka, kilometerweit nur Wälder und Steppen. Island und Madagaskar. Und wo wir uns befinden. Ich zeige dem Chaosprinzen, wie groß die Welt ist. Er staunt, wie klein im Vergleich dazu unsere eigene ist.

Natürlich schütte ich meinen Kaffee mangels Alternative nicht weg. Ich probiere ein bisschen weniger Kaffeepulver, ein bisschen mehr Milch, noch einen Löffel Zucker, aber das Zeug lässt sich einfach nicht trinkbar machen. Ich werde versuchen, mich daran zu gewöhnen.

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Warten, bis der Frühling kommt

Der Morgen ist ein wintertrüber Gedanke, über den Bergen hängt eine tiefe Nebelglocke, darunter deutet sich das Tal an. Es ist schon hell, nur sonnig wird es in den letzten Tagen selten. Der Tag vergeht unbemerkt von einer Graustufe in die nächste, ein Warten auf wärmere Zeiten.
Ich habe furchtbar anstrengende Tage hinter mich gebracht und auch heute verspricht ereignisreich zu werden. Ich denke an meine Liste und mache mir Mut. Der Tag kommt anstrengend und sorgenschwer, aber er hat nur diese vierundzwanzig Stunden. Dann kommt schon der nächste Tag.

Und so geht es weiter: Der Chaosprinz soll ein Referat über Michael Jackson halten. Jedem ist klar, dass er das nicht selbst vorbereiten kann. Also setze ich mich an den Laptop und schreibe einen Text über Michael Jackson. Ich suche in Webseiten nach kindgerechten Details, lade Fotos herunter und lege CDs bereit. Heute Nachmittag wird der Chaosprinz lesen. Und dann entscheiden, was davon er in seinem Referat verwenden möchte. Erste Grundlagen zum wissenschaftlichen Arbeiten wollen gelegt werden.

In der Grundschule hängt der Erfolg eines Kindes vom Engagement der Eltern ab. Ein jedes Ding will gelernt werden. Die Schule gibt die Vorgaben, die Eltern setzen sie um. Bildung ist ein hohes Gut, das überlässt man nicht der Schule allein. Während ich über dem Werk von Michael Jackson die Wolkendecke betrachte, die sich tief in die Welt drückt, wandern die Gedanken ab. Das Werk über Michael Jackson bleibt vorerst unvollendet.

Der Chaosprinz hat seine Cerealien nicht ausgelöffelt. Ich erkläre die Reste zu meinem Frühstück und lasse den Morgen trüb an mir vorbeiziehen. Es wäre ungerecht, dem Regen die Schuld zu geben, nur weil er sich die Welt zu seinem Spielplatz macht. Seit Wochen grauen die Tage, nehmen den Farben ihren Glanz. Alles, was ich berühre, fühlt sich kalt und trocken an. Erinnerst du dich, als im Herbst die Blätter von den Bäumen fielen, eines nach dem anderen, das klare Blau des Himmels den Winter ankündigte.
Und jetzt wartest du geduldig darauf, dass die Sonne wiederkommt und dir die Winterkälte aus dem Körper wärmt.

Wir müssen verrückt sein, denke ich, dass wir keinen Winterschlaf halten. So wie andere, klügere Tiere, die sich tiefe Höhlen in die Erde graben und schlafen, bis das Schlimmste vorbei ist. Und dann zum ersten warmen Tag wieder aufwachen, ausgeruht und unternehmungslustig.
Den Winter einfach wegträumen, denke ich, wenn schon kein Schnee fällt.



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Sein, trotzdem

Heute früh empfing mich eine Welle der Traurigkeit.
Ich weiß nicht, wo sie hergekommen ist, läuft im Grunde doch alles seinen gewohnten Gang.
Ich wachte allein im Bett auf, im Haus war es ganz still. Die Suppenfreundin war mit dem Hund unterwegs, der Kater auf Frühstücksfang und der Chaosprinz hatte Übernachtungsbesuch gehabt und schlief noch.

Sentimentalität ist echt ein Scheiß. Erst kommen die Gefühle, die einen überfallen, dann kommt die Erinnerung, die dazu passt. Fast aus dem Nichts, ein Bild, eine Melodie, ein Geräusch oder eben keines. Zeitlos, denn es tut auch nach Jahrzehnten noch genauso weh. Mit dem Alter wird das nicht besser. Ich erinnere mich an wasserblaue Augen aus dem faltigen Gesicht, geweinte Tränen, die ich nicht verstanden habe, und heute weine ich unvermittelt den Chaosprinzen an und er hasst es.

Ich habe mir nie die Zeit genommen, meine Gefühle genauer zu betrachten. In der Psychotherapie lernte ich, dass Gefühle wie kleine Kinder sind. Sie wollen Beachtung. Wenn man ihnen diese verweigert, werden sie so laut und aufdringlich, dass man sie gar nicht mehr unterdrücken kann. Dann ist es aber meist zu spät und sie überschwemmen jeden Gedanken. Missetat begangen. Und nun sieh mich an!

Heute Morgen ist es die Traurigkeit. Oft ist es die Traurigkeit. Sie schreit laut ihren Schmerz heraus. Über vergangene Verletzungen, Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten, Benachteiligungen und verpasste Gelegenheiten. Sie legt ihre Dunkelheit über mich wie eine Decke und trübt das Tageslicht. Ich spüre die Traurigkeit, schaue aber nicht hin. Ist es meine?

Gefühle kann man erben, das wusste ich zwar noch nicht, aber seitdem ich es weiß, fallen mir einige ein, die ich von meiner Mutter übernommen habe. Ereignisse, die mich in meinem Leben nie getroffen haben, die ich trotzdem betrauere. Über die ich wütend werden kann. Oder mich ärgern. Oder einfach nur diese Grundeinstellung zum Leben an sich. Meine Mutter war ein Kriegskind, Verlust, Tod, Dreck und Armut waren ihre Prägung. Nie genug zu bekommen, immer hart für alles arbeiten zu müssen, Vergnügen und Glück sind ebenso kurz wie vergänglich und nur Lichtblitze in einem Leben aus Leid, Anstrengung und Entbehrungen.

So ein Leben führe ich gar nicht und ich möchte das auch nicht so sehen.
Mein Leben hat mich nicht unbedingt gestreichelt, das Glück war ein seltener Gast, aber wenn es kam, schuf es immer etwas Großes, etwas Bleibendes, etwas Gewaltiges. Im Grunde habe ich, auch wenn ich es nicht leicht hatte, immer von allem nur das Beste bekommen: den besten Chaosprinzen, die beste Suppenfreundin, den besten Hund. Beim Kater lasse ich mich noch auf Diskussionen ein, aber eigentlich ist auch der ganz in Ordnung. Ich habe die wundervolle Gabe bekommen, mein Leben beschreiben zu können, es auf die Zweidimensionalität der Worte herunterzubrechen und dort in aller Ruhe zu betrachten. Das Papier ist mein Denkarium, alles findet seinen Platz darauf und verstopft dann nicht mehr meinen Kopf.

Die Dinge kann man selten ändern. Sie passieren einfach, kommen manchmal aus dem Nichts, der Einfluss, den wir darauf nehmen können, ist so klein, dass es eigentlich erschreckend ist. Das sprichwörtliche Schicksal, das anzunehmen ist, weil man es nicht ändern kann, nur hoffen, dass es einen Gott gibt, der weiß, was Er da tut, damit es auf den Menschen nicht ganz so willkürlich und ungerecht wirkt.

Was ich aber beeinflussen kann, ist meine Sicht darauf. Damit meine ich nicht, jeder Dunkelheit mit aller Macht unbedingt auch etwas Licht abringen zu wollen. Ich traf auf einer Geburtstagsfeier mal einen Arzt, mit dem ich mich lange über meine Erkrankung unterhalten habe. Ich erzählte ihm, wie grausam es war, innerhalb von vier Wochen nichts mehr von dem zu können, was man vorher konnte. Wie schwierig es war zu akzeptieren, dass von nun an die Dinge würden anders laufen müssen. Wie ich auf die Intensivstation gebracht wurde und dort ganze zehn Wochen verbrachte, und wie danach nichts mehr so war wie vorher. „Seitdem ist jeder Tag -„, so begann ich den Satz. Er vollendete ihn mit „-ein Geschenk“.

Was ich eigentlich sagen wollte, war „ein Kampf“. Nein, das Leben ist seitdem kein Geschenk. Ein Geschenk wäre es, wenn ich wieder gesund geworden wäre und mein Leben einfach hätte weiterleben können wie zuvor.
Meine Erkrankung und die damit einhergehende Behinderung sind eine tägliche Herausforderung, die zu akzeptieren ist. Wie das Wetter, da kann man zwar drüber jammern, die Sonne wird davon trotzdem nicht scheinen.

Vielmehr geht es darum, nicht mehr nur darüber zu jammern. Vergossene Milch und so. Irgendwann muss man den Lappen nehmen, sich bücken und sie aufwischen. Und dann muss man neue Milch kaufen gehen. So ist das. Eigentlich ganz einfach.
Die Alternative, die Milch auf dem Boden zu lassen und fortan Wasser zu trinken, ist keine. Und deshalb hört es auch an irgendeinem Punkt auf, Sinn zu ergeben, darüber zu jammern. Da muss man dann eine Inventur machen und handeln.

Und das meine ich damit, auch wenn es wie ein Kalenderspruch klingt: annehmen, was ist, schauen, was geht, und dann weiterleben. Mit all den Gefühlen, geerbt und selbst erworben, mit den Beeinträchtigungen, zu meistern oder unüberwindbar, mit den eigenen Fähigkeiten oder Einschränkungen. Je genauer man die kennt, desto besser kann man sich letztlich darauf einstellen.

Sein, trotzdem.
Seinen Platz in dieser Welt einnehmen, solange er da ist.
Und wenn mir das gelingt, dann habe ich heute gewonnen.
Und Morgen sehen wir dann weiter.

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+++Eilmeldung+++

Die zweite Woche im Januar ist nur so dahingerast und nun steht das Wochenende vor der Tür.

Der Chaosprinz hat sich schnell wieder an das frühe Aufstehen gewöhnt. Am Montag noch saß er bleich und fröstelnd vor seinen Chaoscereals und starrte missmutig auf den Löffel. Heute hüpft er gut gelaunt aus dem Haus. Unter seinen Schritten knirscht der gefrorene Raureif.
Für mich ist das frühe Aufstehen eine abscheuliche Folter. Kurz bevor der Wecker klingelt, werde ich mir der Ausläufer meines Traums bewusst. Es braucht Zeit, bis ich mich in meinem Leben wiederfinde, bis ich weiß, wo ich bin. Meist ist der Inhalt des Traums sofort vergessen. Morgensteif stakse ich aus dem Bett auf das Sofa. Dort bleibe ich erstmal sitzen und lese die morgendlichen Schlagzeilen.

Online teilt die Welt sich mir im Sekundentakt aktualisiert mit. Nachrichten ticken in Echtzeit, nichts wird verpasst. Spannend, zeitraubend und fürchterlich anstrengend. Die Geschwindigkeit, mit der jede Form von Informationen, Erkenntnissen, Kommentaren und Meinungen veröffentlicht und übertragen wird, ist atemberaubend. Das Gehirn ist auf permanenten Empfang geschaltet. Was ich alles nicht wusste. Dabei bin ich noch so müde.

Die Welt dreht sich. Das tat sie immer schon. Jedes Jahrzehnt hat seine eigenen Themen und Herausforderungen. Und jetzt eben diese. Die Nachrichtenübermittlung wird immer schneller. Sie erreicht uns aus den entlegensten Winkeln der Welt, verkauft uns Ansichten als Tatsachen, preist herrschende Meinungen und prangert vermeintliche Missstände an. Sie peitscht emotional auf mit reißerischen Schlagzeilen und verspricht Sensationen, die sie nicht halten kann.
Eine Eilmeldung über das Gerücht um die vermeintliche Teilnahme eines unbekannten Gesichts am Dschungelcamp. Weiter meldet man mir eilig die Trennung der Trällerliesl von Herrn Sumsemann. Eilig wird daraufhin gemeldet, dass es eigentlich nichts eiliges zu melden gibt. Genervt frage ich mich, wozu ich das dann alles wissen muss.

Morgen für Morgen erschlagen mich die Nachrichten auf meinem Sofa. Dann wünschte ich, ich könnte mich all dem wieder entziehen, mir keine Meinung bilden müssen. Mich auf meinen alten Elfenbeinturm zurückziehen, die Rollladen herunterlassen, den Kopf einziehen und hoffen, das Gewitter möge vorbeiziehen und die nächsten Wolken nicht so bedrohlich nah über mir hängen.
Doch seit ich den Chaosprinzen jeden Tag in die Welt hinausschicke, kann ich es mir nicht mehr leisten, nicht ausreichend informiert zu sein. Es ist auch nicht mehr möglich, keine Haltung einzunehmen, keine Stellung zu beziehen. Denn mit der Geburt seines Kindes wird man gezwungen, über die eigene Existenz hinaus zu denken. Die Entscheidungen, die ich heute treffe, treffe ich nicht mehr nur für mich allein.

Die Welt dreht sich, so lese ich aus der Flut an Nachrichten heraus, immer noch.
Und das muss mir für heute einfach mal reichen.

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