Ich würde gerne mal wieder etwas ganz für mich allein machen, sage ich am Abendtisch nach einem langen Tag zur Suppenfreundin, so nur für mein Wohlbefinden, weißt du, das habe ich einfach ganz lange nicht mehr gemacht.
Die Zeit dafür hättest du doch, erwidert die Suppenfreundin und schaut erstaunt von ihrem Brot auf, du arbeitest ja nicht.
Doch, ich arbeite schon, sage ich, da ist der Chaosprinz, die Schule, das Schreiben.
Siehst du, sagt sie, das Schreiben, das ist doch etwas ganz für dich allein.
Das ist Arbeit, sage ich.
Nein, ist es nicht, sagt sie, du wirst ja nicht dafür bezahlt.
Das stimmt natürlich. Ende meiner Dreißiger habe ich nach ein paar halbherzigen Versuchen beschlossen, dem deutschen Literaturbetrieb den Rücken zu kehren. Gründe dafür gab es viele, die meisten sind jedem geläufig, der es mal versucht hat. Dazu kam die Beobachtung, dass durch die Nutzung der übrigen Medien das Buch als solches immer weiter in den Hintergrund tritt. Mir scheint, als würde die Geduld für das Lesen eines Buches von Generation zu Generation schwinden. Gefragt sind schnelle Thriller und Krimis, und so etwas liegt mir gar nicht. Ich lese es nicht einmal gern. Ich mag die fein gezeichneten Charakterstudien, die mir etwas über die unterschiedlichen Abgründe erzählen, an denen Menschen entlangtanzen können. Und genauso schreibe ich.
Ganz privat und insgeheim halte ich mich auch nicht für gut genug, einen Leser über eine längere Zeitspanne am Text zu halten. Obwohl ich viel schreibe, schüchtert mich Sprache immer noch zu sehr ein, als dass ich Selbstvertrauen hätte aufbauen können. Und so kämpfe ich mich mit haufenweise Selbstzweifeln von Wort zu Wort und Satz zu Satz, freue mich an kleinen Erfolgen und schreibe öffentlich im Blog. Man könnte auch sagen, ich scheitere täglich neu mehr oder weniger an meinen eigenen Anforderungen. Vielleicht entwickle ich mich aber auch noch persönlich weiter oder bin irgendwann soweit zufrieden, dass ich ernsthaft nach einem Verlag zu suchen beginne, ausschließen möchte ich da nichts. Berufseinstieg mit über Fünfzig ist für Autoren jetzt nicht so ungewöhnlich.
Schreibende Menschen wissen ganz genau, wie viel Arbeit zwischen zwei Buchdeckeln (oder eben in einer Seite Blogtext) steckt. In meinen Dreißigern traf ich auf dem Autorinnenforum Berlin viele bekannte Namen, darunter Felicitas Hoppe. Sie sagte mir damals auf Nachfrage folgendes: Ich kenne keinen Autor, der gern schreibt. Alle stöhnen und ächzen unter der Last der Buchstaben, den endlosen Stunden in Einsamkeit, dem kreativen Prozess des Gebärens unter Schmerzen. Es ist nicht das Schreiben, was es ausmacht, es ist das Ergebnis, das hernach vor einem liegt. Das ist es, was Autoren zur Feder greifen lässt, das Ergebnis.
Zadie Smith formuliert in ihrem Essay „Besser Scheitern“ das Schreiben als einen Prozess, der zwangsläufig fehlschlagen muss, weil der Autor selten in der Lage ist, seine in Gedanken sorgfältig ausgearbeitete Fassung ganz genauso auf das Papier zu bringen. Das Ergebnis weicht somit fast immer von den eigenen Ansprüchen daran ab. Sie plädiert daher für eine „Poesie des Scheiterns“, ohne die, da seien wir mal ehrlich, der Buchmarkt um mindestens fünfzig Prozent ärmer wäre.
Sachbücher kann man da vermutlich getrost ausnehmen. So sagte Preisträgerin Kathrin Passig, die bis dato hauptsächlich Sachbücher geschrieben hatte, nach dem Bachmannwettbewerb, sie hätte im Vorfeld nie gedacht, wie anstrengend das Verfassen fiktionaler Literatur sein kann.
Und selbst Peter Hoeg sagte einmal in einem Interview über seinen Weltbestseller „Smillas Gespür für Schnee“, es hätte eigentlich ein ganz passabler Roman werden können, hätte er sich nur etwas mehr Zeit gelassen und noch mehr Arbeit investiert.
Viel Arbeit, viele Zweifel, Scheitern am Ideal und oftmals wenig Erfüllung – niemand hat jemals behauptet, das Schreiben ginge ihm leicht von der Hand. Es ist ein Prozess, in dem man stetig besser werden kann, wenn man nur lange genug übt, vielleicht nicht unbedingt so sehr den Umgang mit Worten, sondern vielmehr das eigene Vertrauen in sie. Und selbst dann noch fehlen manchmal trotzdem die entscheidenden zehn Prozent Inspiration.
Es ist Arbeit, liebe Suppenfreundin, und wie es Arbeit ist. Es ist viel mehr Arbeit, als man sich vorstellen kann, weil es ein Eintauchen erfordert, um etwas zu finden, das es wirklich wert wäre, auf das Papier gebracht zu werden. Das tut manchmal weh und hinterher ist man reichlich benommen. Das Rohmaterial, das vor einem liegt, will bearbeitet werden, erst grob behauen wie ein Stein, dann fein geschliffen wie ein Diamant – und manche dieser Diamanten sind wirklich hart.
Das Ergebnis dieser immensen Arbeit ist immer ungewiss.
Und nur in den aller seltensten Fällen wird es (angemessen) bezahlt.
Ein Buch, das zu diesen Überlegungen passt, ist Frauenliteratur von Nicole Seifert!
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