Die Ferien sind vorüber und hier hat der Ernst des Lebens wieder zugeschlagen. Natürlich nimmt der Chaosprinz in seinem Alter noch recht wenig wirklich ernst, was ein absoluter Segen ist, für mich aber etwas mehr Organisation erfordert, gerade jetzt im Übergang auf die weiterführende Schule. Und so habe ich mich in den vergangenen Wochen damit befasst, die Beschaffungslisten der Schule abzuarbeiten, ein verlässliches System für das Einbinden von Schulbüchern zu erfinden, Checklisten für den Alltag aufzustellen, die es ihm erleichtern, seine Aufgaben mühelos abzuarbeiten, und Lunchbox – Vorschläge bei Youtube zu suchen. So sehr man sich bemüht, man schafft es als Eltern einfach nicht, alles perfekt auf den Punkt zu bekommen. Irgend etwas bleibt dabei immer auf der Strecke und meistens bin das ich.
Deshalb schreibe ich im Augenblick kaum noch in meinen Blog. An die tausend Themen sind mir immer wieder durch den Kopf geschossen, Fragen, die ich hier für mich gern erörtern würde, weil sie ansonsten keinen Platz im Leben finden. Zwischendurch blitzt jüngste Vergangenheit auf, erinnert mich, weshalb ich nicht möchte, dass irgendwer mich genauer kennt. An manchen Tagen wage ich einen deutlicheren Blick auf diese Blitze, lese alte Mitteilungen und schaue mir Fotos an. Und dann ist wieder alles klar, denn am Ende läuft es immer auf die Frage hinaus: wer bin ich für dich und wer für mich selbst.
Manchmal fürchte ich, dass ich das falsche Medium gewählt habe. Die Sprache ist so allseitig und vielgestaltig, dass ich aufpassen muss, bei ihrer Verwendung nicht in Allgemeinplätze zu rutschen. Sicher, je allgemeiner ich schreibe, desto besser treffe ich die Mehrheitsmeinung, desto mehr potentielle Zustimmung ist mir gewiss. Im Ergebnis entstehen dann aber profane Plattitüden und banale Binsenweisheiten, die total gut auf Schilder passen.
Wer bin ich für mich selbst?
Ich trinke meinen Kaffee mit Zucker und Milchschaum und dazu einen gesunden Shake aus grünem Gemüse mit einem Schuss Weizengraskonzentrat, denn selfcare ist essenziell. Ich streife durch dichten Nebel, eine Hand an der Leine gehe ich der Sonne entgegen, denn das tut mir gut. Am Rand des abgemähten Feldes warte ich geduldig auf mich selbst und empfinde, dass alles, was ich tue, von außen betrachtet reichlich seltsam aussieht. Es hilft nichts, ich ändere mich einfach nicht. Ich spüle das Geschirr, denn wir essen davon, ich mache die Betten, denn wir schlafen darin, ich wische den Boden, denn wir laufen darauf. Vor dem Spiegel lobe ich mich selbst, denn positive Bestätigung ist elementar für die intrinsische Motivation. Ich gehe in den Tag, als wäre heute der Neujahrstag, denn jeder Schritt ist Heautognomie, vorausgesetzt, die Wahrnehmung ist scharf und das Erleben im flow. Alles ergibt einen weichgespülten Sinn, und nur das, was wirklich mir gehört, bleibt auch bis zum Schluss.
Vielleicht habe nicht ich die Sprache gewählt, sondern sie mich. Jedes Mal, wenn ich tief eintauche in die schier unerschöpflichen Möglichkeiten sich auszudrücken, wenn ich die großen Meister der kleinen Worte lese, erschaudere ich in Ehrfurcht und denke, ich kann gar nicht so vermessen gewesen sein zu glauben, ich würde die Sprache zähmen und irgendwann tatsächlich beherrschen können. Selbst dann nicht, wenn ich mir wahrhaftig Mühe gebe. Vielleicht habe ich gar keine andere Wahl gehabt, als mich der Faszination der Worte zu ergeben. Und vielleicht ist diese Kapitulation ja sogar einvernehmlich – was immer das jetzt bedeuten mag.
Wie oft sitze ich vor deinen Texten und überlege mir Kommentare noch und noch. Nur das! Kann man ja machen…
Gruß von Sonja
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Das finde ich ganz wunderbar, denn mir geht es mit deinen Texten oft genauso! Und deine Worte des Tages sind mir wirklich eine Bereicherung!
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Der letzte Satz ist einer, den ich sehr mag, weil ich ihn nicht wirklich verstehe, und trotzdem das Gefühl habe, dass er gerade deswegen wichtig , wahr und weitreichend ist.
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Vielen Dank. Wenn ich ehrlich bin, es geht mir damit ganz ähnlich. Ich denke, er hat seine Logik. Ich hab sie nur noch nicht ganz erfasst 😉
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So ist es. Und deswegen liebe ich solche Sätze, sie präsentieren nicht einfache Wahrheiten, sondern fordern mich als Leserin heraus, ich muss mit ihnen arbeiten, um etwas zu begreifen.
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